Die Tödliche Doris: Wie ein Berliner Künstlerkollektiv die Kunstwelt revolutionierte

Die Tödliche Doris: Wie ein Berliner Künstlerkollektiv die Kunstwelt revolutionierte
Eine neue Retrospektive im Bremer Weserburg Museum rückt Die Tödliche Doris in den Fokus – jenes radikale Künstlerkollektiv, das in den 1980er-Jahren im West-Berlin der Nachkriegszeit entstand. Mit ihrer Verschmelzung von Musik, Film und Performance sprengten sie die Grenzen traditioneller Kunstvorstellungen und hinterfragten Identitätskonzepte auf provokante Weise. Ihr Werk – oft spielerisch, doch stets von scharfem Gesellschaftskritik durchdrungen – wirkt bis heute nach, Jahrzehnte nach ihrer Auflösung.
Die Tödliche Doris formierte sich 1980 als Punkband, gegründet von Wolfgang Müller und Nikolaus Utermöhlen. Doch bald schon durchbrachen sie die Grenzen der Musik und bezogen Film, Fotografie, Literatur und Performance in ihr Schaffen ein – ein radikal interdisziplinärer Ansatz. Ihr Ziel war nie perfekte Beherrschung, sondern die Störung etablierter Normen: Statt Virtuosentum setzten sie auf Experiment und Provokation.
Ihr einziges Gemälde, „Die Gesamtheit allen Lebens und alles Darüber Hinaus“, verkörpert perfekt ihren widersprüchlichen Stil. Es karikierte künstlerische Erwartungen, während es gleichzeitig die Betrachter aufforderte, die Definition von Kunst selbst infrage zu stellen. Frühwerke wie „Materialien für die Nachkriegszeit“ – eine Mischung aus Film und Fotografie – wurden später zu Inspirationsquellen für andere Multimedia-Künstler. Bereits 1981 waren sie fester Bestandteil der Berliner Underground-Szene und traten beim Festival der genialen Dilettanten neben anderen Avantgarde-Künstlern auf. Obwohl sich das Kollektiv 1987 offiziell auflöste, blieb sein Einfluss bestehen – noch im selben Jahr wurden sie zur documenta nach Kassel eingeladen. Besonders der Film entwickelte sich zu einem zentralen Medium ihrer Retrospektiven, das ihre verschiedenen Disziplinen verband.
Jahre lang schwebte ihr Archiv in der Ungewissheit, bis es 2020 mit Radek Krolczyk, dem Inhaber der Bremer K’-Galerie, einen neuen Ort fand. Berlin hatte es versäumt, die Sammlung dauerhaft zu sichern – doch Krolczyk bewahrte ihr Erbe vor dem Vergessen. Die Weserburg-Ausstellung holt Die Tödliche Doris nun zurück ins öffentliche Bewusstsein. Ihre Arbeiten fordern bis heute heraus, wie Kunst entsteht, wahrgenommen und definiert wird. Für eine Gruppe, die sich einst als „leere Leinwand“ bezeichnete, hinterließ sie in der Kultur alles andere als eine Lücke.

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