Ex-Verfassungsrichter fordert Klarnamen im Netz – kann das die Debattenkultur retten?

Ex-Verfassungsrichter fordert Klarnamen im Netz – kann das die Debattenkultur retten?
Andreas Voßkuhle, der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hat verbindliche Klarnamenspflichten für Online-Diskussionen vorgeschlagen. Sein Argument: Ein solcher Schritt könnte die Aggressivität im Netz verringern und öffentliche Debatten sachlicher gestalten. Die Äußerungen kommen zu einer Zeit, in der die Sorge über den Ton in digitalen Diskussionen immer größer wird.
Voßkuhle war von 2008 bis 2020 Richter am Bundesverfassungsgericht und leitete das Gericht in seinen letzten zehn Jahren als Präsident. Heute steht er der Bürgerbildungsinitiative "Gegen das Vergessen – Für Demokratie" vor und leitet das Institut für Politikwissenschaft und Rechtsphilosophie an der Universität Freiburg.
In einer aktuellen Stellungnahme bezeichnete er die heutige Gesellschaft als "dauerhaft aufgewühlt und orientierungslos". Er verwies auf einen Widerspruch: Einerseits werde nach klarer Führung gerufen, andererseits würden politische Aussagen im Netz oft übertrieben dargestellt – aus Kleinigkeiten würden Krisen konstruiert. Diese Atmosphäre, warnte Voßkuhle, schüre Spaltung statt sachlicher Auseinandersetzung. Zwar räumte er ein, dass die Durchsetzung einer Klarnamenspflicht praktische Herausforderungen mit sich bringe. Rechtlich sei ein solcher Schritt jedoch mit dem Grundgesetz vereinbar, betonte er. Gleichzeitig müssten Schutzmechanismen sicherstellen, dass Bürgerinnen und Bürger Behörden weiterhin kritisieren könnten, ohne persönliche Konsequenzen fürchten zu müssen. Die Maßnahme, so Voßkuhle, könnte dazu beitragen, die digitale Diskussion zu "entgiften" und die Kommunikation zu stärken.